AT24 im Gespräch: Verena Konrad
People, PorträtVerena Konrad ist Kunsthistorikerin, Kuratorin und Kulturmanagerin. Seit 2013 leitet sie als Direktorin und Geschäftsführerin das vai Vorarlberger Architektur Institut. Konrad war davor u. a. als Kuratorin der Kunsthalle Wien tätig und lehrte an der Universität Innsbruck am Institut für Architekturtheorie und Baugeschichte. 2018 kuratierte sie den Österreich-Pavillon der Architekturbiennale in Venedig. Seit 2019 ist sie Universitätsrätin der Universität Liechtenstein und aktuell auch Mitglied der Kommission Kunst am Bau sowie des Kulturbeirates des Landes Vorarlberg. Verena Konrad ist Vorstandsmitglied des Vereins Architekturtage.
Das Thema der Architekturtage 2024 ist „Geht’s noch? Planen und Bauen für eine Gesellschaft im Umbruch“. Was geht Ihrer Meinung nach in diesem Kontext nicht mehr?
Das Planen und Bauen hatte schon immer Wirkungen auf Mensch und Umwelt. Architektur und Ingenieurwesen haben die Verantwortung, diese Wirkungen bewusst zu gestalten, zum Wohl der Auftraggeber, des Allgemeinwohls und – ein Teil davon – als Beitrag zum sozialen und ökologischen Gleichgewicht. Was nicht mehr geht, ist, sich als Berufsgruppe nicht öffentlich mit Wissen und Erfahrung einzubringen. Bildungsarbeit in diesem Bereich wird immer wichtiger, damit auch Politik und Auftraggeber:innen den Turn schaffen.
Was sind aus Ihrer Sicht die größten Herausforderungen vor denen die Architektur, das Ingenieurswesen und die Baukultur stehen?
Ein großes Thema ist die Bau- und Materialwende. In Vorarlberg sind wir schon seit vielen Jahrzehnten mit dem Holzbau gut unterwegs. Wir können hier auf Pionierleistungen aufbauen. Ein sehr altes, in der Architektur nun wieder modernes Material, ist der Lehm. Für die Architektur und das Ingenieurwesen tun sich hier große Felder für Zusammenarbeit auf: es braucht neue Prüf- und Anwendungsverfahren und noch eine ganze Menge Studien und Versuche, bis sich die Bauwirtschaft sicher genug fühlt, diese Materialien im großen Stil einzusetzen. Eine besonders große Herausforderung ist die Ökonomie. Viele sinnvolle Entwicklungen scheitern derzeit an ihrer Finanzierbarkeit und dem Faktor Arbeit, denn die Bau- und Materialwende wird arbeitsintensiv und wird nur mit der Verfügbarkeit gut ausgebildeter Fachkräfte, z.B. im Handwerk, gelingen.
Was sind Ihre persönlichen drei Wünsche an eine zukunftsfähige Bauwirtschaft und Bausektor?
Nicht jedes Gebäude muss Antworten auf alle Fragen der Welt liefern. Oft genügt ein sinnvoller und echt ausgeführter Schwerpunkt, ein Beitrag, der nicht nur aus Marketing und Schlagworten besteht, sondern einen echten Nutzen für spätere Nutzer:innen bringt: das können gesundheitsfördernde Materialien sein, ein sozialer und kultureller Beitrag zum Quartier oder ein Biodiversitäts-fördernder Beitrag. Ich wünsche mir, dass die Bauwirtschaft für sich neue Erfolgskriterien definiert, die nicht ausschließlich im Ökonomischen liegen, sondern dem Produkt, der gebauten Realität und ihrer Wirkung, mehr Raum geben statt das Weiterverkaufen fantasievoller Optionen zu betreiben.
Wie leben und wohnen die Menschen in 50 Jahren?
Sie, wir!, werden zusammenrücken müssen, denn wir werden mehr. Ein Faktor dieser Zunahme werden Klimafluchtbewegungen sein, aber auch durch die Zunahme politischer Konflikte wird es zu Wanderbewegungen auch in Europa kommen. Ich hoffe, wir werden Vernunft und Menschlichkeit als Maßstab anwenden und kulturelle Spielräume wie technische Möglichkeiten zur Bewältigung der damit verbundenen Herausforderungen nutzen.