AT24 im Gespräch: Thomas Romm
People, PorträtThomas Romm ist Architekt und Initiator von BauKarussell, einer Genossenschaft für Social Urban Mining. Er arbeitet an Wertschöpfungskonzepten einer Kreislaufwirtschaft im Bauen. Zirkularität im Bauen beginnt bei der Stadtplanung. Von größter Bedeutung ist der Umgang mit dem Gebäudebestand. Bei Rückbauten können Abbruchhäuser als urbane Minen zur Gewinnung von Rohstoffen und Bauteilen genutzt werden. Diese aufwändige Arbeit macht BauKarussell in Kooperation mit sozialwirtschaftlichen Betrieben und erzeugt so durch die Verbindung von Umweltschutz mit Beschäftigung und Qualifizierung, Mehrwerte im verwertungsorientierten Rückbau von Gebäuden.
»Die eigentliche Herausforderung aber liegt in der Kürze der Zeit, die uns bleibt, um die Kippeffekte und damit die Unumkehrbarkeit des Klimawandels zu verhindern.« – Thomas Romm
Das Thema der Architekturtage 2024 ist „Geht’s noch? Planen und Bauen für eine Gesellschaft im Umbruch“. Was geht Ihrer Meinung nach in diesem Kontext nicht mehr?
Die Spaltung der Gesellschaft an den entscheidenden Fragen zu Klima, Migration und Frieden darf nicht weiter vorangetrieben werden. Wenn ich auf das Bauen schaue, heißt das, die Ungleichheit der Vermögen und die Modelle der Finanzwirtschaft, wie sie sich in unseren Städten abbilden, zu bekämpfen. Ich habe eine lange Liste, was nicht mehr geht: Baugrund zu verkaufen, geht nicht mehr, er ist nur noch in Baurecht zu bebauen. Boden zu versiegeln, geht gar nicht, sondern muss durch Entsiegelung am Bauwerk kompensiert werden. Leerstand ist ein No-Go, er müsste in Höhe der verzichteten Miete besteuert werden. Nichts geht mehr mit „wirtschaftlicher Abbruchreife“: ein Gebäude niederzureißen, nur weil mit einem anderen an der Stelle mehr Geld verdient werden kann, könnte mit Bonus-Kubaturen bei Erhalt der Substanz verhindert werden.
Was sind aus Ihrer Sicht die größten Herausforderungen vor denen die Architektur, das Ingenieurswesen und die Baukultur stehen?
Auf den Paradigmenwechsel, den eine CO2-Vollbremsung im Bauen bedeutet, sind wir nicht vorbereitet; weder in der Ausbildung, noch in der Honorierung von Architektur- und Ingenieurleistungen. Die eigentliche Herausforderung aber liegt in der Kürze der Zeit, die uns bleibt, um die Kippeffekte und damit die Unumkehrbarkeit des Klimawandels zu verhindern. Es liegt in den Händen einer einzigen Generation, in den nächsten 15 Jahren diese neue Baukultur hervorzubringen, die wir mit allen Mitteln unterstützen müssen.
Was sind Ihre persönlichen drei Wünsche an eine zukunftsfähige Bauwirtschaft und Bausektor?
Ich wünsche uns, dass Städte und Gebäude zur Regeneration des Klimas beizutragen lernen, dass Architektur so nutzungsoffen wie langlebig ist und dass unser künftiger Geschosswohnbau so schön sein wird, dass keiner mehr im Einfamilienhaus wohnen möchte. Bauen ist und bleibt das letzte Abenteuer.
Wie leben / wohnen die Menschen in 50 Jahren?
Urbane Ballungsräume werden CO2-Senken sein: Sie werden dezentrale Infrastrukturen einer perfekten Kreislaufwirtschaft von Nährstoffen, Energie und Ressourcen. Flüsse und Landschaften, um uns herum werden Raum bekommen und renaturiert werden. Im besten Fall wird es so sein, wie es der Architekt und Stadtplaner Constantinos A. Doxiades 1974 als Marriage between Nature and City beschrieben hat. Den schlechtesten Fall beschreibt James Lovelock in seinem Buch »Novozän: Das kommende Zeitalter der Hyperintelligenz«, aber er tröstet uns damit, dass 50°C auch für künstliche Intelligenz zu heiß sei.