AT24 im Gespräch: Rainer Holzer
People, PorträtRainer Holzer leitet seit 2013 die Abteilung Immobilien der Wirtschaftsagentur Wien. Mit Förderungen, Beratungen und der Bereitstellung von Immobilien unterstützt die Wirtschaftsagentur Unternehmen, die Nachhaltigkeit, Innovation, Lebensqualität und Diversität in der Stadt vorantreiben und entwickelt so den Wirtschaftsstandort Wien nachhaltig weiter. Als Leitung der Abteilung Immobilien verantwortet Rainer Holzer das Management und die strategische Entwicklung des Immobilienportfolios der Wirtschaftsagentur Wien. Im Zuge dessen zählt die Betriebsansiedelung und -erweiterung in Wien sowie die Projektentwicklung von Spezialimmobilien, wie dem Gewerbehof oder dem Technologiezentrum in der Seestadt, zu Rainer Holzers Schwerpunkten. Sein Ziel dabei: Sicherstellen, dass Unternehmen in Wien über ausreichend Flächen für ihre Aktivitäten verfügen und gleichzeitig auf die sich rasant veränderten Anforderungen von Markt, Gesellschaft und Klima reagieren.
Das Thema der Architekturtage 2024 ist „Geht’s noch? Planen und Bauen für eine Gesellschaft im Umbruch“. Was geht Ihrer Meinung nach in diesem Kontext nicht mehr?
Monofunktionelle Immobilien. Unsere Gesellschaft befindet sich in einem stetigen Wandel, auf den wir nur reagieren können, wenn auch die Branche selbst eine Transformation mit Blick auf die Zukunft anvisiert. Aspekte wie Wohnen, Arbeiten, Produzieren und nachhaltige Lebensqualität sollen und dürfen nicht mehr getrennt voneinander betrachtet werden. Ganz im Gegenteil – es benötigt eine ganzheitliche Betrachtung von Projekten und Quartieren. Wir müssen intelligent planen, interdisziplinär denken, Synergien schaffen und die Vernetzung fördern, um für Wiener Unternehmen Mehrwerte zu schaffen und Ressourcen langfristig zu schonen.
Was sind aus Ihrer Sicht die größten Herausforderungen vor denen der Wiener Gewerbe Immobilienmarkt steht?
Wien ist in den letzten Jahren rasant gewachsen und wird dies auch weiter tun. So kann man davon ausgehen, dass im Jahr 2050 zwei Drittel der Menschen in Städten leben werden und sich auf der Suche nach Jobs und Zukunftsperspektiven weiterhin in die Zentren drängen. Wien arbeitet daher seit Jahren an der Herausforderung, Arbeit, Wohnraum, Bildung, Nahversorgung und Erholung im urbanen Raum so intelligent zu kombinieren, dass die Lebensqualität der Stadtbewohner:innen weiterhin auf diesem hohen Niveau bleibt. Denn durch das Wachstum in den letzten Jahren entsteht oftmals eine Konkurrenz zwischen Gewerbe- und Wohnnutzung um Grundstücksressourcen in der Stadt.
Zusätzlich sehen wir, dass viele Unternehmen in der heutigen Zeit sehr risikoavers sind, was aufgrund der aktuellen Marktlage verständlich ist. Mieter:innen überlegen heutzutage länger, müssen sparsamer kalkulieren und sind allgemein sehr vorsichtig, was weitere Herausforderungen für den Markt mit sich bringt.
Wie schafft es Wien diese Herausforderungen zu meistern?
Für eine Gesellschaft im Umbruch zu planen und zu bauen ist es wichtig, flexibel zu sein und die Bedürfnisse der Wiener Unternehmen zu antizipieren. Es benötigt eine gründliche Analyse der aktuellen Trends, um innovative Lösungen zu entwickeln, die den sich veränderten Anforderungen der Unternehmen, den Mitarbeiter*innen und unserer Umwelt gerecht werden. Wir haben sehr hohe Branchenkenntnisse und analysieren und diskutieren den Markt, sowie mögliche neue Immobilienlösungen und Typologien nonstop. Dafür gehen wir mit den Unternehmen in den direkten Austausch. Durch unsere Beratung und Förderung wissen wir genau, was Unternehmen brauchen, um weiterhin in der Stadt zu bleiben, ihre innovativen Ideen umzusetzen und weiter wachsen zu können. Mit unseren Spezialimmobilien tragen wir dazu bei, dass Unternehmen trotz beschränkter Grundstücksressourcen einen Platz in der Stadt finden, wo sie eng mit Partner*innen zusammenarbeiten und sich mit ihrer Zielgruppe austauschen können, um ihre Visionen zu verwirklichen. Hier bringen wir unterschiedlichste Formen produzierender und nicht produzierender Arbeit mit Nutzungen aus Kultur, Wohnen, Sozialem, Bildung, Freizeit und Erholung neuartig und nachhaltig zusammen. Eines unserer jüngsten Projekte dieser Art ist beispielsweise der Gewerbehof in der Seestadt, wo wir das Thema der vertikalen Produktion aufgegriffen haben.
Was ist Ihr persönlicher Wunsch für eine zukunftsfähige Bau- und Immobilienwirtschaft?
Zuerst einmal finde ich, dass Wien mit dem Fachkonzept „Produktive Stadt“ hier bereits einen wichtigen Beitrag geleistet hat. Das Konzept sieht die Integration des produzierenden Gewerbes als maßgeblich für eine nachhaltige Stadtentwicklung an. Mein Wunsch ist es, dass wir genau an dieser Stelle weiter ansetzen. Uns ist bewusst, dass der Platz in der Stadt begrenzt ist, aber wenn wir in Wien weiterhin nachhaltig lokal produzierende Gewerbe haben möchten, müssen wir uns innovative Modelle und zukunftsfähige Ansätze für neue Formen der Produktion überlegen. Ein Blick auf die Wiener Traditionsunternehmen zeigt mir, dass wir hier in Wien bereits auf einem guten Weg sind. So werden beispielsweise die beliebten Mannerschnitten mitten im Wohngebiet im 17. Bezirk in einer vertikalen Fabrik produziert und von dort aus an die ganze Welt verkauft. Ein weiteres Beispiel ist der Eissalon am Schwedenplatz: Aufgrund des Wachstums in den letzten Jahren, hat das Unternehmen seine Produktion in die Seestadt ausgeweitet, ohne aus der Stadt rausziehen oder seinen Standort im Herzen Wiens aufgeben zu müssen. Und auch wir als Wirtschaftsagentur haben mit der Seestadt den perfekten Ort gefunden, um Urbanität und Produktion langfristig miteinander zu verbinden und innovative Spezialimmobilien für Unternehmen zu entwickeln. Hier wird der produzierende Bereich bewusst in das Leben der Stadtbewohner:innen miteinbezogen – das hält die Arbeitswege kurz, ermöglicht Kooperationsmöglichkeiten und prägt das Wiener Mobilitätsverhalten nachhaltig. Saubere Technologien und die verstärkte Digitalisierung von Produktionsprozessen machen es möglich, dass Produktion und Wohnen nebeneinander und miteinander funktionieren können. Durch das Prinzip der vertikalen Werkstätten und die Einrichtung von gemeinschaftlichen Nutzungsflächen im Gewerbehof oder die flexiblen und langfristigen Raumkonzepte im Technologiezentrum Seestadt, kann alles an einem Ort und möglichst ressourcensparend passieren: Forschen, produzieren, das Büro führen, lagern und sich mit anderen Unternehmen oder Anrainer*innen austauschen, um Neues zu entwickeln. Die Seestadt ein ziemlich cooles Quartier mit hohem Synergiecharakter, nachhaltigen Unternehmensideen und innovativen Mieter:innen, welche die Identität des Gebiets langfristig mitgestalten. Das findet man kaum wo anders!
Kurz gesagt, mein Wunsch für die Branche: Noch mehr kreative und innovative Lösungen für den Markt! Damit uns das gelingt und der Platz für nachhaltige Unternehmensvisionen weiter wächst, schauen wir darauf, dass unser Support nicht nach dem Beratungsgespräch aufhört. Wenn wir Wohnen und Produzieren langfristig in Wien sicherstellen möchten, müssen wir genau da ansetzen, wo sich Gewerbe und Anrainer:innen oft allein gelassen und ungehört fühlen. Unseren 360 Grad Service bauen wir deswegen stetig weiter aus, um auch weiterhin die lebenswerteste Stadt zu bleiben!
Die Wirtschaftsagentur Wien ist Kooperationspartner der Architekturtage 2024.