AT24 im Gespräch: Heidi Pretterhofer und Michael Rieper
Porträt, PeopleSeit Oktober 2023 gibt es eine neu geschaffene Professur für Baukultur an der Kunstuniversität Linz. Für die Professur ausgewählt wurden Architektin Heidi Pretterhofer und Architekt Michael Rieper. Beide arbeiten in wechselnden Teams an der Entwicklung, Planung und Realisierung von Experimenten an der Schnittstelle zwischen Architektur, Kunst und Design, mit einem Faible für Installationen und Interaktionen im öffentlichen Raum. Die Professur ist ein Novum im deutschsprachigen Raum.
Heidi Pretterhofer ist Architektin, ihr Arbeiten bewegen sich an der Schnittstelle von Architektur, Urbanismus, Theorie und Kulturproduktion. Parallel zu ihrer architektonischen Praxis ist sie Kuratorin, Herausgeberin und Verfasserin zahlreicher Ausstellungen und Publikation, die das Verhältnis zwischen urbanen Bedingungen und architektonischem Handeln erkunden. Seit 2023 leitet sie gemeinsam mit Michael Rieper die Professur für Baukultur an der Kunstuniversität Linz.
Michael Rieper ist Architekt, seine Arbeitsfelder sind Architektur, Film, Kunst und Design. Er unterrichtete an der TU Wien. Seit 2023 leitet er gemeinsam mit Heidi Pretterhofer die Professur für Baukultur an der Kunstuniversität Linz.
»Der bauliche Bestand ist zu einer großen Lagerstätte herangewachsen, die riesige Mengen an Rohstoffen, aber auch Erinnerungen und Geschichten bindet. Diese Ressourcen gilt es, wirtschaftlich und baukulturell intelligent in Wert zu setzen.«
Das Thema der Architekturtage 2024 ist „Geht’s noch? Planen und Bauen für eine Gesellschaft im Umbruch“. Was geht Ihrer Meinung nach in diesem Kontext nicht mehr?
Es geht nicht mehr, dass im Bausektor kaum geplant und geforscht, sondern hauptsächlich entschieden wird. Wir können die Tätigkeit des Planens in drei Typen teilen, die zwar nie in ausschließlicher Form erscheinen, aber bei Planungshandlungen mehr oder weniger charakteristisch sein können: Planen - als Welt der unbegrenzten Möglichkeiten, Forschen – als Welt der gesetzmäßigen Zusammenhänge, Entscheiden als Welt des zweckmäßigen Fortschritts. Es geht nicht mehr, dass wir die Rahmenbedingungen nicht umbauen.
Was sind aus Ihrer Sicht die größten Herausforderungen vor denen die Architektur, das Ingenieurswesen und die Baukultur stehen?
Der bauliche Bestand ist zu einer großen Lagerstätte herangewachsen, die riesige Mengen an Rohstoffen, aber auch Erinnerungen und Geschichten bindet. Diese Ressourcen gilt es, wirtschaftlich und baukulturell intelligent in Wert zu setzen. Das wird nur dann gelingen, wenn wir die Notwendigkeit verstehen und umzusetzen lernen, Gebäude, deren Teile bzw. Umgebungen weiter und wiederzuverwenden. Dafür müssen die derzeitigen Vergabe-, Planungs- und Ausführungsmethoden radikal verändert werden. Widmungen, Planungen und Bauaufgaben sollten mit Rücksicht auf vorhandene Ressourcen, inklusive einem Konzept, was nach dem Erreichen der Lebenszeit mit ihnen geschehen soll, gelöst werden.
Was sind Ihre persönlichen drei Wünsche an eine zukunftsfähige Bauwirtschaft und Bausektor?
Wir wünschen uns, dass die Aufforderung Handle with Care!, die viele globale Verpackungen schmückt, ab sofort auch für alle Gebäude, Stadträume, Landschaftsräume und Infrastrukturen gilt.
Wir wünschen uns, dass Bund, Land und Kommunen eine baukulturelle Vorbildfunktion einnehmen. Überall wo öffentliches Geld im Raum und im Spiel ist, wünschen wir uns faire Planungsprozesse und zukunftsweisende Architekturen.
Wir wünschen uns resiliente und mutige Strategien für die dringlichen Raumentwicklungsaufgaben.
Wie leben und wohnen die Menschen in 50 Jahren?
2074 leben die Menschen meistens in der Stadt. Wildnis-Korridore ziehen sich durch Landschaften und Städte, diese heterogenen Raumfiguren sind das Ergebnis divergierender, hybrider Denk- und Lebensmodelle; viele Orte, viele Jobs, viele Beziehungen. Multiple Lebensorte, die zeitlich begrenzt, diskontinuierliche soziale Räume erzeugen, verhalten sich nicht ausschließend zueinander, sondern komplementär und setzen eine multilaterale Wunschmaschine des Sowohl-Als-Auch in Gang. Die Frage nach wem gehören Grund und Boden? wird erweitert um die Frage wem gehören die Daten? In Wirklichkeit ist alles möglich, es liegt in unser aller Verantwortung.
Podcast:
Im Rahmen von a_palaver / Architektur im Radio nachzuhören:
Themenbotschafter:innen Heidi Pretterhofer und Michael Rieper im Gespräch mit David Pasek über Baukultur als eine Frage des Blickwinkels.
Vergangene Sendungen sind als Stream oder Download frei verfügbar: www.apalaver.com