AT24 im Gespräch: Elke Rauth
People, PorträtElke Rauth ist Obfrau von dérive - Verein für Stadtforschung, Redakteurin von dérive - Zeitschrift für Stadtforschung und Leiterin von urbanize! Int. Festival für urbane Erkundungen. Mit dem Hausprojekt Bikes and Rails ist sie Teil des habiTAT Mietshäuser Syndikat. Sie interessiert sich für die Stadt als gesellschaftspolitischen Ort und für die Organisation des postkapitalistischen Übergangs in Theorie und Praxis.
»Die größte Herausforderung ist unser Wirtschaftssystem, das Höchstprofit vor alles andere stellt, selbst wenn es uns das Leben kostet: Wir wissen schon längst, wie wir mit nachwachsenden Baustoffen klimafreundlich und energieeffizient bauen können.« – Elke Rauth
Das Thema der Architekturtage 2024 ist „Geht’s noch? Planen und Bauen für eine Gesellschaft im Umbruch“. Was geht Ihrer Meinung nach in diesem Kontext nicht mehr?
Was schon lange nicht mehr geht, ist der zukunftsvergessene Umgang mit Boden und Ressourcen: Keine Einfamilienhäuser mehr, keine Einkaufsmärkte mit riesigen Parkplätzen, kein weiterer Ausbau von Infrastruktur für das Auto, kein Bauen auf der grünen Wiese und Zubetonieren von hochwertigstem Ackerboden wie etwa in Rothneusiedl oder im Donaufeld geplant. Diese Art der Stadtentwicklung muss endlich der Vergangenheit angehören.
Was sind aus Ihrer Sicht die größten Herausforderungen vor denen die Architektur, das Ingenieurswesen und die Baukultur stehen?
Die größte Herausforderung ist unser Wirtschaftssystem, das Höchstprofit vor alles andere stellt, selbst wenn es uns das Leben kostet: Wir wissen schon längst, wie wir mit nachwachsenden Baustoffen klimafreundlich und energieeffizient bauen können. Es gibt ausreichend Know-how zur nachhaltigen Energieerzeugung. Wir wissen, was gute Städte ausmacht, wie Dorfzentren lebendig bleiben oder leistbarer Wohnraum geschaffen werden kann. Wir wissen, welche Qualitäten ein guter öffentlicher Raum braucht und wie wir Menschen für klimafreundliche Mobilität gewinnen. Was es braucht ist ein gesetzlicher Rahmen, der radikal bessere Bedingungen für Klimafreundlichkeit und Nachhaltigkeit und radikal schlechtere Bedingungen für Spekulation, Ressourcenverschleuderung und Umweltzerstörung schafft. Dazu braucht es mutige Politik mit positiven Zukunftsvisionen, und es braucht starke baukulturelle Stimmen, die ihre Verantwortung als Architekt:innen und Ingenieur:innen auf allen Ebenen wahrnehmen und Druck ausüben auf Politik und Privatwirtschaft, endlich die notwendige Wende einzuleiten.
Was sind Ihre persönlichen drei Wünsche an eine zukunftsfähige Bauwirtschaft und Bausektor?
Meine drei zukunftsnahen Wünsche sind:
- Wohnungsbau nur mehr durch gemeinnützige Akteur:innen, um den Wohnungsmarkt wieder der Spekulation zu entreißen.
- Nachverdichtung, Innenentwicklung und Aktivierung aller Möglichkeiten auf bereits verbautem Boden, bevor weiteres Bauland gewidmet wird.
- Nachhaltigkeitsoffensive in der Bauwirtschaft mit Erhöhung des Drucks auf die Politik, damit klimafreundliches und energieeffinzientes Bauen auf die Überholspur kommt und zum Standard wird.
Wie leben und wohnen die Menschen in 50 Jahren?
Im besten Fall in Städten mit klimafreundlichen, ressourcenschonenden und für alle leistbaren Plusenergie-Häusern auf weit weniger privatem Raum, aber mit viel Gemeinschaftsflächen, umgeben von grünen und autofreien öffentlichen Räumen, die Platz fürs Leben und Biodiversität bieten, der Nahrungsmittelproduktion dienen und das Recht auf ein Leben ohne Auto sichern.