AT24 im Gespräch: Bettina Leidl
Porträt, PeopleBettina Leidl ist seit 2022 Direktorin des Kulturareals MuseumsQuartier Wien und legt verstärkt den Fokus auf das Thema Nachhaltigkeit. Mit „MQ goes green“ soll das MQ zu einem klimaneutralen Areal werden. Davor war sie Geschäftsführerin des Kunst Haus Wien, Geschäftsführerin von departure (2011–2014), der Kunsthalle Wien (1997–2011) sowie Geschäftsführerin der KÖR – Kunst im öffentlichen Raum GmbH (2007-2011).
Mit „MQ goes Green“ definiert das MuseumsQuartier Herausforderungen und Ziele für ein klimafittes Kulturareal bis 2030, um damit einen wichtigen Beitrag zur Transformation der Gesellschaft zu leisten. Zentrale Maßnahmen sind die Umstellung auf erneuerbare Energien, mehr Biodiversität sowie die Begrünung des Außenraums, um dadurch die Temperatur zu senken und ein schattigeres, kühleres, grüneres Areal zu schaffen.
»Neben der Berücksichtigung von Umweltkrise und Ressourcenknappheit ist es wichtig, neue Formen des Zusammenlebens zu denken. Die Baukultur könnte die Bedürfnisse verschiedener sozialer Gruppen berücksichtigen und in Dialog mit den Bürger:innen treten.« – Bettina Leidl
Das Thema der Architekturtage 2024 ist „Geht’s noch? Planen und Bauen für eine Gesellschaft im Umbruch“. Was geht Ihrer Meinung nach in diesem Kontext nicht mehr?
Die Bodenversiegelung, die aktuell in atemberaubendem Ausmaß zunimmt, geht meiner Meinung nach nicht mehr. Der Klimawandel und alle damit zusammenhängenden ökologischen Bedrohungen ziehen Konsequenzen nach sich. Viele Bauweisen und -materialien, die eine hohe Umweltbelastung nach sich ziehen, sind heute nicht mehr zeitgemäß. Dazu gehört etwa der übermäßige Einsatz von Beton und der dadurch verursachte CO²-Ausstoß. In der Architektur braucht es einen Fokus auf energieeffiziente Materialien wie Holz oder Lehm.
Was sind aus Ihrer Sicht die größten Herausforderungen vor denen die Architektur, das Ingenieurswesen und die Baukultur stehen?
Neben der Berücksichtigung von Umweltkrise und Ressourcenknappheit ist es wichtig, neue Formen des Zusammenlebens zu denken. Die Baukultur könnte die Bedürfnisse verschiedener sozialer Gruppen berücksichtigen und in Dialog mit den Bürger:innen treten. Dafür muss der Wohnraum auch leistbar sein. Die Städte brauchen barrierefreie, offene und konsumfreie Räume, in denen sich mit gesellschaftlich relevanten Themen auseinandergesetzt wird. Im MuseumsQuartier versuchen wir diese Rolle einzunehmen und Bewusstsein für die soziökonomischen und ökologischen Fragen unserer Zeit zu schaffen.
Was sind Ihre persönlichen drei Wünsche an ein zukunftsfähiges, klimabewusstes (Zusammen-)Leben in der Stadt?
Für ein klimabewusstes Zusammenleben muss die völlige Dominanz der Autos im Stadtleben abnehmen. Hier braucht es Mut zu neuen, radikaleren Maßnahmen. Die Stadt Wien hat sich vorgenommen, bis zum Jahr 2040 die Klimaneutralität zu erreichen und ist in dieser Hinsicht schon gut aufgestellt. Im Zuge dieser Veränderungen wünsche ich mir auch, dass wir das Konzept der Stadt als Betonwüste hinter uns lassen, Flächen entsiegeln und begrünen. Dabei soll die Stadt auch die soziale Integration und das Gemeinschaftsleben fördern. Hier kann Kunst einen entscheidenden Beitrag leisten, Stadtteile aufwerten und die Menschen in die Gestaltung ihrer Lebensräume einbinden.
Wie leben und wohnen die Menschen in 50 Jahren?
Es gibt international einige spannende Konzepte, in denen neue Formen des Zusammenlebens ausprobiert werden. In den begrünten Superblocks Barcelonas werden Fußgänger und Fahrradfahrer priorisiert und der Autoverkehr stark reduziert. Durch die Verminderung der Abgase steigt die Lebenserwartung der Bewohner:innen. Der Platz, der von den Autos eingenommen wurde, wird den Menschen zurückgegeben. Gleichzeitig wird die öffentliche Infrastruktur gefördert. Wir müssen heute schon bauen, wie wir in 50 Jahren leben wollen. Im roten Wien vor 100 Jahren hat man für die Zukunft gebaut und stets auf die soziale Durchmischung geachtet. Die positiven Nachwirkungen dieser Raumplanung spürt man heute noch. Hier wurde Gesellschaft mutig neu gedacht und so können wir es auch heute machen.