AT24 im Gespräch: Architektur Raumburgenland
People, PorträtDas Thema der Architekturtage 2024 ist „Geht’s noch? Planen und Bauen für eine Gesellschaft im Umbruch“. Was geht Ihrer Meinung nach in diesem Kontext nicht mehr?
Was nicht mehr geht, ist der Neubau, obwohl Häuser leer stehen. Was nicht mehr geht, ist der Abriss und Ersatzneubau eines Gebäudes, ohne den Umbau oder die Umnutzung des Bestands in Betracht zu ziehen. Was nicht mehr geht, ist eine versiegelte Fläche mit Parkplätzen, die größer ist als die Fläche des Gebäudes selbst. Was nicht mehr geht, ist das Korsett von Planungs- und Bauvorschriften, die es uns nicht erlauben, auf wesentliche ökologische Bedürfnisse und Herausforderungen angemessen zu reagieren.
Was auch nicht mehr geht, sind die steigenden Komfortansprüche an den gebauten Raum und der steigende Flächenbedarf pro Kopf. Und was sowieso nicht mehr geht, ist der Anthropozentrismus jeder Bauaufgabe.
Was sind aus Ihrer Sicht die größten Herausforderungen vor denen die Architektur, das Ingenieurswesen und die Baukultur stehen?
Die Anpassung der Bedürfnisse und Anforderungen an die tatsächlichen ökonomischen und ökologischen Gegebenheiten – denn wir bauen, was wir nicht brauchen! Die größte Herausforderung wird dabei wohl die Überwindung der sperrigen Planungskonventionen sein, die auf eindimensionalen und unflexiblen Normen, Baurichtlinien, Versicherungen und Haftungsrisiken sowie den damit verbundenen Zertifizierungen, Gewährleistungsverpflichtungen und Ausführungsrisiken beruhen. Ein adäquates, zeitgemäßes bzw. auch innovatives Bauen wird dadurch in den Hintergrund gedrängt und die Planungskompetenz der Architekt:innen und Ingenieur:innen nicht ausreichend genutzt.
Was sind Ihre persönlichen drei Wünsche an eine zukunftsfähige Bauwirtschaft und Bausektor?
- Fokus auf Handwerk, Arbeit und Beschäftigung statt auf hochleistungsfähige Materialien und Hightech-Baustoffe. Nur mit gut ausgebildeten Arbeiter:innen und breit verfügbarem Handwerk kann es zu einer ressourcenschonenden und energiearmen Reparatur-, Umnutzungs- und Umbaukultur kommen.
- Überwindung von Baukonventionen aufgrund fehlender Richtlinien zugunsten ökologischer Bauweisen und Baustoffe wie Lehm, Schilf etc.
- Umbau als Konsens: Nur das Arbeiten mit dem Bestand kann zu einer kreislauffähigen Bauwirtschaft führen. Neubau sollte nur in absoluten Ausnahmefällen erfolgen.
Wie leben und wohnen die Menschen in 50 Jahren?
Wenn sich nichts Systemrelevantes ändert, werden wir in 50 Jahren vielleicht so leben wie die Menschen heute in Süditalien: stark zersiedelte Landschaften, viele verlassene Häuser, verwaiste Ortskerne, eine alternde Bevölkerung und das Verschwinden ganzer Dörfer sowie massenhaft Bausubstanz, die nur schwer zu erhalten ist.
Aber es gibt eine junge Generation (nicht nur Architekturschaffende), die positiv, konstruktiv und engagiert am System und an der Bauwende arbeitet. Wenn man diese Generation ihre Zukunft gestalten lässt, muss es nicht so weit kommen. Und in ihrer positiven Zukunftsvision möchten wir doch gerne leben und wohnen.