AT24 im Gespräch: Sigi Atteneder
People, PorträtSigi Atteneder studierte Architektur an der Kunstuniversität Linz und an der Hong Kong University. Aktuell ist er Professor für nachhaltige Architektur und räumliche Entwicklung an der Kunstuniversität Linz. Er leitet dort die Architekturabteilung sowie das Studio BASEhabitat, das sich ökologischen, sozialen und ökonomischen Dimensionen der Nachhaltigkeit widmet. BASEhabitat forscht, plant und baut international Projekte mit Modellcharakter. Im Vordergrund stehen lokale, natürliche und wiederverwertbare Baustoffe wie Lehm, Holz, Stroh und Bambus, sowie die aktive Zusammenarbeit mit NGOs und Gemeinschaften.
»Die größte Herausforderung sehe ich darin, die vorhandenen und erprobten Alternativen, sei es in der Raumplanung, in der Mobilität, im Materialsektor oder bei den Prozessen rund um Planung und Bau, in die großen Maßstäbe zu bringen, Stichwort Upscaling.« – Sigi Atteneder
Das Thema der Architekturtage 2024 ist „Geht’s noch? Planen und Bauen für eine Gesellschaft im Umbruch“. Was geht Ihrer Meinung nach in diesem Kontext nicht mehr?
Menschen- und klimaschädliches Planen und Bauen geht nicht mehr. Unreflektiertes Abreißen und neu Bauen geht nicht mehr. Verschwenderischer Umgang mit Rohstoffen, Materialien und Boden geht nicht mehr. Elitäre und abgehobene Planungs- und Baupraxen gehen nicht mehr. Ein Aussitzen, weitermachen wie bisher und hoffen, dass es schon nicht so schlimm wird geht nicht mehr. Weiterhin wachsende Ungleichheit und Ausbeutung der vielen zum Wohle einiger weniger gehen nicht mehr.
Was sind aus Ihrer Sicht die größten Herausforderungen vor denen die Architektur, das Ingenieurswesen und die Baukultur stehen?
Die größte Herausforderung sehe ich darin, die vorhandenen und erprobten Alternativen, sei es in der Raumplanung, in der Mobilität, im Materialsektor oder bei den Prozessen rund um Planung und Bau, in die großen Maßstäbe zu bringen, Stichwort Upscaling. Zum Glück gibt es vielerorts Initiativen und Projekte, die zeigen, wie es auch gehen könnte. Wir müssen es schaffen, so rasch wie möglich von diesen Best-Practice-Beispielen zu lernen und sie großflächig auszurollen. Als Innovation darf nur noch das bezeichnet werden, was dem Klima, den Menschen und dem sozialen Zusammenhalt dient.
Was sind Ihre persönlichen drei Wünsche an eine zukunftsfähige Bauwirtschaft und Bausektor?
Ich wünsche mir, Bund, Länder und Gemeinden, die sofort damit beginnen, die gesetzlichen Rahmenbedingungen dahingehend zu überprüfen, ob und wie weit sie klima- und menschengerecht sind. Das übergeordnete Ziel müssen lebenswerte Städte, Quartiere und Siedlungen für alle sein.
Ich wünsche mir eine sorgfältige Um- und Zubaukultur mit größtenteils regenerativen und recyclierten Materialien, in der Auftraggeber:innen, Architekt:innen und Handwerker:innen gemeinsam an guten Lösungen arbeiten.
Sollte etwas Neues gebaut werden müssen, wünsche ich mir eine selbstverständliche Beteiligung von Architekt:innen, faire und transparente Verfahren und Prozesse sowie die Teilhabe der betroffenen Personen.
Wie leben und wohnen die Menschen in 50 Jahren?
Die Menschen werden in 50 Jahren mit den Folgen der Klimakrise und damit mit zum Teil mit massiven Verwerfungen zu kämpfen haben. Wir werden noch vielfältigere Wohn- und Lebensformen haben. Funktionen werden noch mehr verschwimmen und die Bereiche Wohnen, Arbeiten, Freizeit ineinanderfließen. Die Kleinfamilien ablösend werden sich Gemeinschaften verschiedenster Ausprägung entwickeln und das Zusammenleben vielschichtiger und damit tragfähiger machen. Ich hoffe, viele benachteiligte Menschen, insbesondere der südlichen Hemisphäre, werden dann auch die Möglichkeit zu einer lebenswerten Existenz haben.
Studierende | BASEhabitat
Hägi Wendls Kulturraum - Rethinking Space and Materials
Die größte Herausforderung bei diesem Projekt war, die alte Bausubstanz zu erhalten und für die Gegenwart zu adaptieren. Ein Haus-Umbau mit Lehm, Holz und Stroh. Das Projekt wurde mit dem Vorarlberger Holzbaupreis 2023 in der Sonderkategorie “Gesellschaftliche Relevanz” ausgezeichnet.